Darf der Träger Einfluss auf die Qualitätsentwicklung des Bildungsangebots einer Schule nehmen?

Schulträger zögern häufig, die pädagogische Qualitätsentwicklung in den Schulen ihres Verantwortungsbereiches als ihre Aufgabe anzusehen. Daher agieren sie in diesem Bereich oft defensiv. Das IfpB als Mitglied der ArGe Bildung erläutert, welche Chancen sich bieten, wenn kommunale Schulverwaltungen ihre Bildungseinrichtungen aktiv und qualitätsbewusst entwickeln. Der Autor formuliert Argumente für ein gestaltendes Agieren auf der Ebene der Kommunalpolitik.

Schulträger und Schulaufsicht: Zwei Player mit einem gemeinsamen Ziel

Eine Schule stellt ein autonomes System dar, das mit der Gesellschaft, in die sie eingebettet ist, vielfältig strukturell gekoppelt ist. Zwei dieser Koppelungen sind für die Arbeit der jeweiligen Schule besonders bedeutsam: Die Bindung an den Schulträger als Eigentümer der materiellen Struktur der Schule und Verantwortlicher für die sachliche Ausstattung und die gleichzeitig bestehende Bindung an die Schulaufsicht, die für die Funktionalität der Schule im Sinne der rechtlichen Vorgaben für den Betrieb von Schulen zuständig ist. Die Schulaufsicht stattet die Schule mit dem lehrenden Personal, der Schulträger mit den weiteren in den Betrieb der Schule eingebundenen Kräfte aus.

Die Unterscheidung der beiden Funktionen folgt dem – durchaus sinnigen – Prinzip der Trennung des ‚Betreibenden der Infrastruktur‘ vom ‚Betreibenden des operativen Betriebs. Dadurch entsteht aber zugleich für die Kommunen als Schulträger ein Spannungsverhältnis zur Schulaufsicht. Im Hinblick auf den Betrieb der einzelnen Schule sind Staat und Kommune Partner. Im Hinblick auf die Gestaltung der kommunalen Schullandschaft hat der Staat jedoch die Aufgabe der Kommunalaufsicht. Daher kommt es immer wieder zu Unklarheiten hinsichtlich der  Verantwortlichkeit oder zu Dissens bei Maßnahmen zur Gewährleistung zielführenden Bildungsangeboten in den Kommunen.

Die Umsetzung des Prinzips macht es daher erforderlich, die Übergänge zwischen den Systemen explizit zu definieren. Das ist notwendig, denn die regelmäßig erforderliche Fortschreibung der systemischen Zusammenhänge sichert die adaptive Anpassung an die sich wandelnde gesellschaftliche Situation. Bei den notwendigen Aushandlungsprozessen wird zwischen den verschiedenen Systemen transparent kommuniziert; partizipativ-demokratische Beteiligungsmöglichkeiten werden eröffnet. Der Diskurs über die Gestaltung des Zusammenwirkens von Infrastrukturbetreiber und operativem Betrieb ist ‚normal‘, ja sogar explizit systemisch erwünscht.

Die Abgrenzung der Aufgaben von Schulträger und Schulaufsicht ist keineswegs in jeder Hinsicht eindeutig. Sie muss und sollte sich – wie sich derzeit vor allem bei der Digitalisierung schulischen Lernens offenbart – ständig weiterentwickeln. Kriterium für ‚gute Lösungen‘ ist die optimale Funktionalität einerseits der jeweiligen Schule, andererseits aber der lokalen Bildungslandschaft.  Beides wird vor allem durch die im Einzugsbereich der zuständigen Gemeinden lebenden Bevölkerung beurteilt; auf unterschiedliche Form partizipiert sie an den zu treffenden Entscheidungen. Zwar kann und darf die Schulaufsicht Aussagen über die Qualität der Leistung von Schulen machen (Schulinspektion). Doch letztlich entscheiden die Eltern (durch ‚Abstimmung mit den Füßen‘), die ihre Kinder einer bestimmten Schule anvertrauen bzw. nicht anvertrauen, über den Erfolg der Schulen: Erfüllt eine Schule die Bedürfnisse von Eltern, Wirtschaft und sozialen Institutionen im Einzugsbezirk, so erbringt sie ‚gute Leistungen‘. Neben der direkten Schulwahlentscheidung wirkt die Bevölkerung durch ihr jeweiliges partizipativ-demokratisches Agieren (Wahlen, gesellschaftliches Engagement) auf die Gestaltung von Schule durch Schulträger und Schulaufsicht ein.

Im Laufe der Zeit haben sich bestimmte Muster der Abgrenzung von Aufgaben zwischen Schulträger als dem ‚Betreiber der Infrastruktur‘ und der Schulaufsicht als ,Betreiber des operativen Betriebs‘ergeben. Die vorherrschenden Auffassungen der Beteiligten im Hinblick auf Rollen und Aufgaben von Schulträgern und Schulaufsicht spiegeln deren Wahrnehmung der jeweiligen gesellschaftlichen Basis. Wenn sich auf einer der beiden Seiten diese Wahrnehmung ändert, so ist es im Sinne der systemischen Konstruktion angemessen, den Diskurs über die Aufgabenverteilung wieder aufzugreifen, bis eine neue ‚gute Lösung‘ gefunden ist.

Dieses moderne Verständnis der Interaktion von Akteuren im öffentlichen Sektor ist in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit noch unüblich. Traditionell gestalten die Beteiligten den Diskurs der Aushandlung nicht ‚auf Augenhöhe‘, sondern in einer hierarchischen Ordnung: Die ‚höherrangige Instanz‘ steuerte die ‚nachrangige‘ Instanz‘ durch Weisungen. Das autoritäre Muster der Abstimmung erweist sich jedoch als wenig funktional, sobald die Hierarchie nicht von allen Beteiligten in gleicher Weise anerkannt wird. In solchen Fällen ersetzen die Beteiligten Diskurse durch Machtkämpfe, um die eigene Sichtweise durchzusetzen. Machtkämpfe sind wenig produktiv: Die Beteiligten neigen dazu, Energie von der Sachebene abziehen und auf den emotional-affektiven Bereich zu verlagern. Im schlimmsten Fall kommt es zu Stellungskriegen, zum Versiegen der auf Problemlösung ausgelegten Kommunikation zum Stillstand aller Aktivitäten.

Nach diesem traditionellen Verständnis sind Überprüfung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit die Aufgabe der Schulaufsicht. Betroffen von mangelnder Qualität der Leistung einer Schule ist aber in deutlich stärkerem Maße der Schulträger: Wenn eine Schule vor Ort nicht durch die Qualität überzeugt, die erforderlich ist, dass Eltern das in der örtlichen Schulentwicklungsplanung vorgesehene Wahlverhalten zeigen, hat die Kommune ein Problem – weniger aber die Schulaufsicht. Folglich ist es Interesse des Schulträgers, dafür zu sorgen, dass Schulen so arbeiten, wie es den Erwartungen der ‚User‘ entsprechen. Traditionelle Hierarchie und Betroffenheit stehen zueinander im systemischen Widerspruch.

Im Hinblick auf die Schulqualität haben Kommunen ihr örtliches Schulsystem sehr gut im Blick. Kommunale Schulträger merken es rasch, wenn einzelne Schulen die Elternschaft und die lokale Öffentlichkeit nicht hinreichend überzeugen. Die Frage, ob eine Schule eines Schulträgers mit einer überzeugenden pädagogischen Konzeption arbeitet, die vor Ort auf Anerkennung trifft, ist für den Schulträger weit stärker von Bedeutung als für die Schulaufsicht. Der Schulträger ist sensibel dafür, wenn eine einzelne Schule notleidend wird.

Kommunale Schulträger merken also, ob das System der von ihnen getragenen Schulen gut funktioniert. Störungen im Zusammenwirken der unterschiedlichen Schulformen bleiben dem Schulträger nicht verborgen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich die schulformübergreifendeWahrnehmung kommunaler Schulträger deutlich von der Perspektive der schulformbezogen aufgestellten Schulaufsicht. Kommunale Schulträger erkennen, ob die verschiedenen Schulformen vor Ort in einer mit dem Blick auf die Bedürfnisse der gesamten Einwohnerschaft abgestimmten Form interagieren. Das gilt vor allem bei den Übergängen zwischen Primarstufe und Sekundarstufe I bzw. Sekundarstufe I und II. Das gilt aber auch an allen anderen Stellen, an denen Schulen in systemisch-struktureller Kopplung stehen, z.B. bei der Frage, welche Schule Kinder aufnimmt, die das Gymnasium verlassen müssen, da sie die dortigen Leistungsanforderungen nicht erfüllen können. Auch in vielen anderen Problemfeldern spielt die Kultur des Umgangs der Schulen miteinander eine große Rolle. Wenn z.B. eine Schule zu viele und eine andere Schule zu wenig Anmeldungen hat, ist es umso leichter, eine einvernehmliche Lösung zu finden, je wertschätzender die beteiligten Schulen miteinander umgehen.

Diese Problematik ist kommunalen Schulträgern wohlbekannt. Bei traditioneller Auffassung sehen sie sich für das Management dieses Problembereiches als nicht zuständig an – da es vor allem um Fragen der pädagogischen Arbeit und der Bildungsqualität der einzelnen Schulen geht. Dass kommunale Schulverwaltungen in dieser Hinsicht Verantwortung übernehmen, ist vielerorts noch unüblich. Wir erleben in unserem Institut gelegentlich sogar heftigen Widerstand der Schulaufsicht, wenn Kommunen anfangen, auf die Qualität der Arbeit ihrer Schulen Einfluss nehmen zu wollen.

Doch aus Sicht des IfpB ist es legitim, wenn sich kommunale Schulträger bei der Suche nach guten Lösungen für ihre Schulen engagieren – auch bei Fragen, die die pädagogische Qualität beeinflussen. Sächliche Ausstattung von Schulen und die Nutzung der sächlichen Ausstattung im pädagogischen Prozess sind untrennbar miteinander verknüpft. Soweit Entwicklungs-Engagement die Entwicklung von Lehrerkompetenzen geht, liegt die Zuständigkeit im Feld der Schulaufsicht. Soweit es um die Anpassung des pädagogischen Handelns auf der Grundlage der sächlichen Ausstattung auf die Bedarfe der lokalen Bürgerschaft angeht, so ist die Stärkung der Handlungsfähigkeit des pädagogischen Personals eine Aufgabe, die durchaus in die Zuständigkeit von Schulträgern fällt.

Gemeinsames Anliegen beider Akteure ist die Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der Arbeit der jeweiligen Schulen. Die gemeinsame Praxis muss sich in dieser Hinsicht noch entwickeln – aus nachvollziehbaren Gründen haben beide Seiten in vielen Fällen noch Hemmungen, entsprechen aktiv zu werden. Solange die dabei erforderlichen Abstimmungsprozesse noch nicht zur Selbstverständlichkeit geworden sind, ist Beratung der Beteiligten (Schulträger und Schulaufsicht) durch spezifisch kompetente externe Personen – die weder der einen noch der anderen Seite angehören und daher neutral und verbindlich agieren können – ratsam und sinnvoll. In dieser Hinsicht bietet die ArGe Bildung den beteiligten Akteuren umfassende, vielfältige und problembezogen abgestimmte Beratung – ein Fallbeispiel skizziert Beratung der Gemeinde Finnentrop zur Lösung eines typischen Schulträger-Problems