Beratung der Gemeinde Finnentrop zur Lösung eines typischen Schulträger-Problems

Ein Fallbeispiel: Tätigkeiten der ArGe Bildung im Auftrag der Gemeinde Finnentrop

Das folgende Beispiel einer Beratung für die Gemeinde Finnentrop skizziert die Vorgehensweise der ArGe. Unser zufriedener Klient – vgl. Schreiben des Bürgermeisters – gestattet der ArGe, das dort durchgeführte Projekt als Referenz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen[1].

In Finnentrop hat sich die Gemeinde vor etwa 10 Jahren für eine bildungspolitisch sehr schlüssige und innovative Schulstruktur entschieden. Die Gemeinde gründete eine neue Gesamtschule. Sie ergriff damit die Chance, eine gymnasiale Oberstufe in der Zentralgemeinde anzusiedeln, um die Funktionalität der Gemeinde zu stärken. Die Umsetzung des Grundsatzes ‚lassen wir die Schule im Dorf‘ auch im Hinblick auf die gymnasiale Oberstufe ist sowohl strukturpolitisch als auch bildungspolitisch von hoher Relevanz. Auch architektonisch investierte die Gemeinde in erheblichem Maße und setzte die neue Schule architektonisch in einer hochwertigen und sehr funktionalen Form um. Grundlage der Planung war ein schlüssiger Schulentwicklungsplan.

Leider folgte das Schulwahlverhalten der Bürgerinnen und Bürger nicht der Planung der politischen Entscheidungsträger. Im Bewusstsein der Bevölkerung verknüpfte sich die neue Gesamtschule mit der Erinnerung an die frühere Hauptschule, die in der Gemeinde einen guten Ruf hatte, aber durch ständigen Schülerschwund nicht mehr existenzfähig war. Die Eltern der leistungsstärkeren Kinder folgten zunehmend wieder dem traditionellen Schulwahlverhalten. Sie wählten für viele Kinder, für die das Abitur als Bildungsziel erreichbar erschien, nach der Grundschule die Gymnasien der umliegenden Orte. Die Anmeldezahlen von Kindern mit mittlerem bis hohen Leistungspotential an der Gesamtschule in Klasse 5 ging im Laufe mehrerer Jahre kontinuierlich zurück. Die Folge war, dass die Leistungsmischung der Lerngruppen, die eine Gesamtschule benötigt, um ihren Bildungsauftrag gut wahrnehmen zu können, immer weniger den Notwendigkeiten der Schulform entsprach.

Das ist eine Entwicklung, die in vielen Orten vorkommt. Das IfpB erhielt dank der Vermittlung der SEP-BERATUNG den Auftrag zur Ursachenforschung und zur Empfehlung von Maßnahmen. Es diagnostizierte vor Ort die Ursachen für die Entwicklung. Aufbauend auf die Analyse erarbeitete es zusammen mit den Beteiligten Problemlösungen, die im Bereich der pädagogischen Arbeitsmittel und der systemischen Entwicklung zu finden sind. Vor allem beratend, aber teilweise auch moderierend und in der Funktion des Fortbildners konnten Mitglieder des Instituts zu einer befriedigenden Problemlösung beitragen. Wie? – Das erläutern wir hier genauer:

Bisherige Entwicklung der Schullandschaft in Finnentrop:

Finnentrop liegt im südöstlichen Teil des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Sauerland. Der namensgebende Hauptort entwickelt sich im Tal des Flusses Lenne vom Fluss hinauf bis auf die Höhen des dortigen Mittelgebirges. Im politisch zugeordnet sind mehrere – früher autonome – Dörfer. Die Gemeinde hat insgesamt etwa 17000 Einwohner; sie ist im Flusstal traditionell industriell ausgerichtet und in den Randlagen land- und forstwirtschaftlich geprägt. Bedingt durch Topografie der Gemeinde, definiert sich die Bewohnerschaft der Dörfer als bemerkenswert unabhängig vom Zentralort – die ‚politische Gemeinde‘ deckt sich nicht mit der ‚gefühlten Gemeinde‘, wie in den deutschen Mittelgebirgen nach den kommunalen Reformen der vergangenen Jahrzehnte häufiger der Fall ist.  

In Folge der NRW-Schulreform (vgl. dazu „Die Herausforderung bei der Gestaltung der örtlichen Schullandschaft durch die Kommunalpolitik in NRW“) hat die Gemeinde Finnentrop, wie viele Städte und Gemeinden im Land, ihr kommunales Schulsystem reformiert. Vor der Reform gab es neben den Grundschulen eine Hauptschule und eine Realschule im Ort, jedoch kein Gymnasium. Schülerinnen und Schüler der Gemeinde, die das Abitur erreichen wollten, besuchten teilweise die Realschule und wechselten mit der dort erworbenen Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe auf Schulen der umliegenden Gemeinden, die eine Oberstufe anboten. Viele Schülerinnen und Schüler, deren Eltern schon zur Grundschulzeit das Ziel des Erwerbs der allgemeinen Hochschulreife verfolgten, meldeten ihre Kinder gleich an den Gymnasien der umliegenden Orte an. Das Auspendeln war also in Finnentrop für Kinder des gehobenen Leistungsspektrums üblich. Das wesentliche Anliegen der Gemeinde zur Reform des örtlichen Schulangebotes ist, diesen Zustand zu beenden und den  Erwerb des Abiturs in der Gemeinde künftig zu ermöglichen.

Aus der seinerzeitigen Prognose der Entwicklung der Schülerzahlen ergab sich eindeutig, dass die Gründung eines Gymnasiums als weitere Schulform in Finnentrop nicht möglich ist. Die Analyse der Schülerzahl zeigte auch, dass die Hauptschule vor Ort, obgleich sie für ihre qualitativ hochwertige Leistung allgemein anerkannt war, auf mittlere Sicht keine Überlebenschance hatte. Schon vor der Schulreform tendierten in Finnentrop Eltern dazu, wie vielerorts, ihr Kind nach Möglichkeit nicht auf die Hauptschule, sondern auf die Realschule zu schicken. Die Realschule sah sich zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, Kinder zu beschulen, die vom Leistungsvermögen eher dem mittleren bis gehobenen Hauptschulniveau zuzuordnen waren. Gleichzeitig sollte die Realschule aber auch den Kindern gerecht zu werden, die auch für einen Besuch des Gymnasiums geeignet waren. So wuchs die Heterogenität der Schülerschaft der Realschule in einem Maße, die den Strukturmerkmalen dieser Schulform nicht entspricht. So behielt die Realschule zwar eine funktionale Größe, arbeitete jedoch  in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit weniger erfolgreich als die Hauptschule.

Zum Zeitpunkt der Schulreform schrumpfte also die Hauptschule in existenzgefährdender Weise. Die Realschule expandierte und sah sich zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert, die die Schulform nur suboptimal befriedigen kann. Etliche Kinder mit gymnasialem Potential pendelten aus, da sie kein wunschgemäßes Bildungsangebot in Finnentrop vorfanden.

Die Entscheidung für eine neue Gesamtschule als Ersatz von Haupt- und Realschule

Für die Gemeinde Finnentrop erschien daher der Übergang zu einer Schule des gemeinsamen Lernens gemäß den BLK-Vereinbarungen zur Gesamtschule von 1969 alternativlos. Die Bildung einer Realschule mit Hauptschulzweig hätte zwar das Problem der geringen Zahl von Hauptschüler*innen gelöst, aber kein attraktives Bildungsangebot für Kinder mit gymnasialem Potential geboten. Gegen eine Realschule mit Hauptschulzweig sprach auch, dass dort eine ‚echte‘ Inklusion von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf kaum umsetzbar ist, da eine solche Schule im Innern das anti-inklusive Prinzip der äußeren Differenzierung (Bildung unterschiedlicher Lerngruppen nach Leistungsgesichtspunkten) verfolgt.

Die Gemeinde Finnentrop stand also vor der Alternative, eine Sekundarschule oder eine Gesamtschule zu gründen. Vom Schülerpotential her gesehen erschien die Bildung einer Gesamtschule möglich, denn nur sie versprach die Lösung des Problems des Auspendelns der Kinder mit hohem Leistungspotential, da die Gesamtschule, so wie ein Gymnasium, einen innerschulischen Bildungsweg von Klasse 5 bis zum Abitur bietet. Wenn die neue Schule des gemeinsamen Lernens einen großen Teil der Kinder mit hohem Leistungspotential aus Finnentrop gewinnen, dann könnte sie sich als  Gesamtschule aufstellen und  eine eigene, zwar kleine, aber funktionsfähige Oberstufe bilden.

Nach Abwägung der Alternativen entschied sich die Gemeinde Finnentrop unter tatkräftiger Federführung des Bürgermeisters und einem in den Anfangsjahren hohen Engagement der Elternschaft für die ambitionierte Form einer vierzügigen Gesamtschule. Sie investierte erhebliche Mittel in den Um- und Neubau der Schule. Sie stattete die Schule, die mitten im Zentrum der Hauptgemeinde am Standort der ehemaligen Hauptschule liegt, mit einer neuwertigen und modernen Schul-Infrastruktur aus. Den Schulbau ergänzte die Gemeinde durch einen architektonisch ansprechend gestalteten Trakt, den der Ganztagsbereich der Schule sowie die Gemeinde als Ort der sozialen Begegnung nutzt. Die Gesamtschule startete mit einem engagierten Gründungsteam der Lehrkräfte und entwarf ein selbst für Gesamtschulen innovatives Unterrichtskonzept; bei der Erstanmeldung kam die für die Genehmigung des Schulbetriebs durch die Schulaufsicht erforderliche Schülerzahl zusammen.

Der gute Lauf der Gesamtschule in der Anfangszeit konnte sich aber nicht halten. Vor allem gelang es nicht, den traditionellen Trend der Elternschaft (vor allem der umliegenden Dörfer) zu brechen, ihre Kinder lieber auf ein Gymnasium des Nachbarorts als auf die Gesamtschule der eigenen Gemeinde zu schicken. Schon in der Anfangsphase erreichte die Zahl der Kinder mit gymnasialem Potential nur knapp die Schwelle, die eine Gesamtschule benötigt, um im Inneren heterogenitätsgerecht zu arbeiten und andererseits hinreichend viele Absolventen der Sekundarstufe I mit der Qualifikation für den Besuch der Oberstufe zu generieren. Schon nach kurzer Zeit wurden vor Ort Zweifel an der Realisierbarkeit der Oberstufe laut, bzw. dass die entstehende Oberstufe zu klein ausfallen werde, um ein attraktives Fächerangebot anbieten zu können.

Im Verlaufe des Aufwachsens der Gesamtschule kippte aus verschiedenen Gründen der zunächst positive Trend für die Gesamtschule deutlich in eine negative Außenwahrnehmung der Schule. Die Anmeldezahlen gingen deutlich zurück; der relative Anteil der Kinder des niedrigeren Leistungsspektrums erhöhte sich deutlich. Proportional wuchs der Schüleranteil von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Den aufgenommenen Schüler*innen, gerade auch den im dörflichen Umfeld der Öffentlichkeit nicht verborgen bleibenden Problemkindern, widmete sich das Kollegium mit großem Engagement und erkennbaren Erfolgen – doch damit erwarb sich die Gesamtschule eher den Ruf einer kompetenten Förderschule als den einer Bildungseinrichtung aller Kinder.

Der Anteil der ArGe Bildung beim Umgang mit der Problematik

Der sich verstetigende Rückgang der Anmeldezahlen rief die Schulaufsicht auf den Plan. Die Bezirksregierung forderte die Gemeinde auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Attraktivität der Schule zu steigern. Ansonsten sei die Gesamtschule in eine Sekundarschule umzuwandeln und der Plan aufzugeben, in Finnentrop eine gymnasiale Oberstufe einzurichten.

In dieser Drucksituation wandte sich die Gemeinde an SEP-Beratung mit dem Auftrag, den der Gesamtschulgründung zu Grunde liegenden Schulentwicklungsplan zu überprüfen und fortzuschreiben. Die Untersuchungen durch SEP-Beratung bestätigten die Stimmigkeit der damaligen Planungen. Auch für die Zukunft ist das demografische Potenzial für den geordneten Betrieb einer Gesamtschule in Finnentrop gegeben.

Der Schulträger stand also vor dem Problem, dass sich das tatsächliche Wahlverhalten der Eltern im Hinblick auf die weiterführende Schule nicht mit den Annahmen des Schulentwicklungsplans deckt. Aus Sicht der Gesamtschule stellt sich die Problematik so da, dass es ihr zunehmend weniger gelingt, das für sie vorgesehene Schülerpotenzial auszuschöpfen. Die Frage stellte sich also, ob es Mittel und Wege gibt, die Gesamtschule so attraktiv zu gestalten, dass sich in Zukunft hinreichend viele Eltern der Gemeinde, vor allem Eltern mit Kindern des gehobenen Leistungspotentials, für diese Schule entscheiden.

Die Analyse von Diskrepanzen zwischen Schulentwicklungsplan und pädagogischer Praxis ist ein Kerngegenstand der ArGe Bildung.  Initiiert durch beteiligte SEP-Beratung befasste sie sich mit möglichen Zugängen zur Auflösung der Problematik. In diesem Fall ist der Bereich der Architektur der Schule nicht als Problemfeld zu betrachten, da die Gemeinde in erheblichem Maße für funktionale und wohlgestaltete Lernräume und Sachmittel sorgt. Die Problematik ist vielmehr im Bereich der pädagogischen Arbeit der Gesamtschule zu suchen. Diese wird zwar durch die Schulaufsicht, ausweislich der Inspektionsbefunde, als gesamtschul-adäquat beurteilt, aber nicht durch das soziale Umfeld der Schule.

SEP-Beratung bot daher der Gemeinde Finnentrop an, die Ursachen für das unattraktive Image der Gesamtschule durch das IfpB, dem Kooperationspartner in der ArGe Bildung, untersuchen zu lassen. Aufgabe des IfpB war es, Ursachen-Erkundung vor Ort zu betreiben und Maßnahmen zu empfehlen, die im Einfluss des Schulträgers liegen und – im Sinne einer wohlverstandenen Subsidiarität – zum Ziel einer positiven Wendung der Wahrnehmung des Leistungsangebots der Gesamtschule beitragen könnten. Gegenstand des Angebotsgesprächs war u.A. die Zerstreuung der Sorge der Schulverwaltung, die Einholung einer pädagogischen Perspektive auf die Problematik der örtlichen Schulentwicklung überschreite die Kompetenzen des Schulträgers und greife in die Kompetenzen der Schulaufsicht über. (Vgl. Darf der Schulträger Einfluss auf die Entwicklung der Qualität des Bildungsangebots seiner Schulen nehmen?“)

In einem Erstgespräch gaben zwei IfpB-Vertreter der Schulverwaltung der Gemeinde Finnentrop eine Analyse möglicher Ursachen des Schwächelns der Gesamtschul-Schülerzahlen auf Grundlage der von SEP-Beratung gelieferten Daten und Einschätzungen. Das IfpB skizzierte, wie die Gemeinde auf mögliche Ursachen subsidiär angemessen und fördernd reagieren könnte. Es wurde deutlich, warum trotz der akuten Problemlage Aussichten bestehen, durch rasches und gezieltes Agieren zur Verbesserung der Situation beizutragen. Als Schlüssel zum Erfolg würde die Gemeinde subsidiär auf eine Planung der Beteiligten hinwirken, die auf längere Sicht zu wirksamen Änderungen der problematischen Lage führt. Indikator für Gelingen ist eine Erhöhung der Anmeldezahlen von Kindern mit hohem Leistungspotential, die schrittweise dem gewünschten Zustand nahekommen. Die Leistung des IfpB wäre in diesem Zusammenhang, die Beteiligten bei der Erarbeitung dieses Planes zu beraten, zu unterstützen und zu inspirieren.

Die Schulverwaltung entschloss sich, dem Angebot de IfpB zu folgen. Im Auftrag der Gemeinde führte zunächst ein Vertreter des IfpB Erkundungsgespräche mit Personen, die über valide Erklärungen für die örtliche Schulentwicklung verfügen und daher wissen, welche Motive für Eltern vor Ort bei der Schulwahlentscheidung leitend sind. Insbesondere sprach der Vertreter mit der Schulleitung und mit Kolleg*innen der Gesamtschule. In einem zweiten Schritt besuchte der Vertreter alle Grundschulen der Gemeinde und erkundete die Sichtweise der Schulleitungen sowie einzelner, zufällig ausgewählten Lehrkräfte. Durch qualitative Auswertung der bei der Befragung gewonnenen Informationen und Daten entwickelte der Vertreter ein Netz der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Auf dieser Grundlage formulierte er Eckpunkte eines Maßnahmenpaketes, welches das IfpB der Schulverwaltung empfahl.

Das bei der Erhebung entstandene Bild der Problemlage kann hier nur verkürzt wiedergegeben werden, da es auf internem Wissen beruht, das dem Vertrauensschutz unterliegt. Elemente des Bildes sind:Vielen Eltern mit großer Erwartung an die Leistungsentwicklung ihres Kindes fehlt die Transparenz darüber, wie die Gesamtschule alle Kinder individuell fördert. Dafür zu sorgen ist in Finnentrop eine Herausforderung, die die Gesamtschule zu meistern hat: Sie arbeitet erfolgreich, aber für die Eltern ist nicht erkennbar, wie die Gesamtschule das anstellt. Die Eltern nahmen daher an, dass es dort anscheinend Lehrerpersonen gibt, die das ‚gut können‘, während andere nicht so kompetent seien, folglich könne die Gesamtschule keine gleichbleibende Qualität bieten.

Viele Eltern mit großer Erwartung an die Leistungsentwicklung ihres Kindes haben keine Vorstellung davon, wie individuelles Lernen in heterogenen Lerngruppen gelingen kann. Sie glauben durchaus, dass es ‚eigentlich sinnvoll ist‘, wenn Kinder großer Heterogenität zusammen lernen, und halten die Gesamtschulidee für prinzipiell richtig. Doch sie vertrauen nicht darauf, dass das hehre Ziel in der praktischen Umsetzung der Schulen vor Ort gelingt. Die Zweifel der Elternschaft resultieren schon aus deren Schul-Erleben in der Grundschulzeit. Also ist eine Änderung dieser Situation vor allem eine Herausforderung an die pädagogische Arbeit Grundschulen. Denn Grundschulen sind ja, genau wie die Gesamtschule, Schulen des gemeinsamen Lernens, in denen die Elternschaft erleben kann, wie das gemeinsame Lernen in großer Heterogenität erfolgreich gelingt.   

Viele Eltern mit Kindern, für die das Abitur das angestrebte Bildungsziel ist, glauben nicht, dass es der Gesamtschule gelingen wird, einen qualitativ hochwertigen Weg zum Abitur anzubieten. Die Oberstufe der Gesamtschule gibt es noch nicht – das ist eine Herausforderung für die Gesamtschule: Sie muss, sobald der Schulbetrieb angelaufen ist, lange bevor der erste Abschluss der Klasse 10 vergeben wird, über eine der Öffentlichkeit bekannte Blaupause des künftigen Oberstufenbetriebs verfügen.

Etliche Eltern befürchten, dass Inklusion nicht gelingt, es also in inklusiven Schulen zu Beeinträchtigung des Lernens für die Schüler*innen ohne besonders festgestellten Förderbedarf kommt. Daher wählen sie, wenn möglich, eine Schulform, die sich den Anspruch des inklusiven Arbeitens nicht stellt. Diesem Vorurteil zu begegnen ist eine gemeinsame Herausforderung sowohl für alle Grundschulen vor Ort als auch für die Gesamtschule: Die Wirkmechanismen des inklusiven Lernens zu zeigen und erkennbar werden zu lassen, dass es für Kinder ohne festgestellten Fördertatbestand förderlicher ist, mit Förderkindern zusammen in einer Lerngruppe zu lernen, als in homogenisierten Lerngruppen beschult zu werden.

Diese Analyseergebnisse sind nicht banal. Denn der sich abzeichnende Trend ist – im Gegensatz zur oft geäußerten Ansicht – nicht die Folge der allgemeinen Strukturen. Der sich abzeichnende Trend ist vielmehr die Folge des konkreten Agierens von Handlungsträgern in der örtlichen Konstellation sowie des pädagogischen Agierens der beteiligten Schulen. Wenn die Personen unter den gleichen Strukturbedingungen anders agieren würden, so könnte sich ein anderer Trend einstellen. Daher ist es für die Erarbeitung einer Lösung für die Problematik der Gemeinde bedeutsam, die einzelnen Elemente der Analyse mit Aussagen von Beteiligten, mit konkreten Fallbeispielen, mit personalem Handeln usw. verknüpfen zu können.

Die bei der Befragung durch das IfpB erhobenen Detailinformationen erlauben, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge für die unerwünschten Entwicklungen herauszuarbeiten. Erst aus der Detailanalyse des IfpB heraus konnten die Partner der ArGe Bildung gemeinsam Lösungen für die Problematik skizzieren.

Umsetzung des Lösungsvorschlags

Die Analysen und Empfehlungen führte das IfpB in einen ausführlichen Erkundungsbericht sowie Anregungen für zu ergreifende Maßnahmen zusammen. Die Gemeinde entschied sich, den Anregungen zu folgen. Auch bei der Umsetzung der Maßnahmen beteiligte die Gemeinde das IfpB als Partner der ArGe Bildung.

Zur Realisierung der Vorschläge lud die Schulverwaltung z. B. alle Grundschul-Lehrkräfte der Klassen 4 vor den Beratungstagen der Eltern zur Wahl der weiterführenden Schulform zu einer Dienstbesprechung, auf der ein Vertreter des IfpB die Funktionsweise der Gesamtschule in ‚neutraler‘ Weise vorstellte. Die Schulverwaltung finanzierte die Erarbeitung einer Entwicklungsvereinbarung der Gesamtschule, in der die Schule selbst, unterstützt durch das IfpB, eine schrittweise Planung für die Arbeit an den identifizierten Baustellen entwarf – was zu heftigen, aber konstruktiven innerkollegialen Debatten der Gesamtschule führte. An diesen Plan orientiert sich die Schule nun, seitdem er durch die Mitwirkungsgremien bis hin zur Schulkonferenz verbindlich gemacht worden ist. Auch finanzierte die Schulverwaltung die Begleitung des gemäß der Entwicklungsvereinbarung eingerichteten Erprobungsteams Klasse 5 durch das IfpB. Es hatte den Auftrag, das Prinzip der Kompetenzorientierung des Unterrichts in diesem Jahrgang exemplarisch zu entwickeln und transparent einzusetzen.         

Ein wichtiger Neben-Schauplatz der Arbeit des IfpB war die Unterstützung der Schulverwaltung bei den sich im Prozess ergebenden Auseinanderseitzungen mit der Schulaufsicht. Hier war der Vertreter des IfpB gutachterlich tätig. Er konnte dazu beitragen, dass die Schulverwaltung sich gegen das von ihr und dem IfpB als unangemessen angesehenen Behördenhandelns erfolgreich durchsetzen. In dieser Konfliktlage sah es die Gemeindeverwaltung als hilfreich an, die pädagogische Sichtweise des Instituts zur Verfügung zu haben und Argumentationshilfen zu erhalten.

Der Kontrakt zur Begleitung des örtlichen Prozesses durch das IfpB wurde auf ein Jahr mit Option auf bedarfsgerechte Verlängerung ausgelegt. Die zu erbringenden Leistungen wurde gemäß Kontrakt in Form jeweils situativ zu definierenden Teilprojekten vereinbart.

Die Arbeit des IfpB endete mit dem Auslaufen der zu den jeweiligen Teilvorhaben einzeln erarbeiteten Kontrakte. Inzwischen hatten sich die Differenzen zwischen der Schulverwaltung und der Schulaufsicht beheben lassen. Nunmehr werden, wie von Anfang an beabsichtigt, die Bereiche, die unter dem Label ‚Unterrichtsentwicklung‘ in die Zuständigkeit der Schulaufsicht gehören, von dort betreut – das IfpB leistet Krisenintervention, verfolgt jedoch nicht das Ziel, durch eigene Arbeit die Schulaufsicht aus deren Aufgabenfeld zu entlassen.

Insgesamt geht aus der Referenz des Bürgermeisters hervor, dass die Gemeindeverwaltung Finnentrop die Zusammenarbeit mit dem IfpB in der ArGe Bildung als vertrauensvoll und sehr zielführend erlebt hat. Validiert ist der Erfolg dadurch, dass nach gut einem Jahr intensiver Entwicklungsarbeit die Anmeldezahlen der Gesamtschule insgesamt und auch der Anteil der Kinder mit einem hohen Leistungspotential deutlich angestiegen ist – in einem Maße, wie es auch bei optimistischen Betrachtungen nicht zu erwarten gewesen wäre. Die ArGe Bildung ist gespannt darauf zu erfahren, wie – nach der wohl unvermeidlichen Aussetzung der Maßnahmen während der pandemiebedingten Beeinträchtigung des Schulbetriebs – die Entwicklung weitergehen wird. 


[1] Die Projektberichte der Beratung für Finnentrop von der ArGe Bildung sind bei der Gemeinde einsehbar.